Keramik wird den verschiedensten Belastungen gerecht | von Livio Salvadori

Eine sachgerechte Materialwahl erfordert die sorgfältige Analyse von Bestimmungsort und Nutzungsbedingungen, denen der fertige keramische Belag ausgesetzt wird. Nur so können die am besten für die jeweiligen technischen und ästhetischen Anforderungen geeigneten Fliesenarten ausgewählt werden.

Die Nutzungsbedingungen hängen von den jeweiligen Belastungen ab, denen der keramische Belag dauerhaft standhalten muss.

Unterschieden wird zwischen mechanische Belastungen, die auf den Boden- oder Wandbelag als Ganzes oder nur auf die Oberfläche einwirken, chemischen Belastungen, d.h. aggressives Einwirken unterschiedlicher chemischer Stoffe, die mit dem Fliesenbelag und u.U. auch mit den darunterliegenden Schichten in Berührung kommen, sowie hygrothermischen Belastungen durch bestimmte Temperatur- und Feuchtigkeitsbedingungen.

Diese Klassifizierung der Belastungsarten entspricht derjenigen für die Leistungsmerkmale der verschiedenen Keramikfliesentypen, was die Auswahl der für einen bestimmten Bereich geeigneten Fliesen vereinfacht.

Die Anwendungsbereiche und die daraus folgenden Nutzungsbedingungen der Fliesenbeläge können nach der jeweils anzunehmenden Belastungsstufe (von sehr hoch bis sehr niedrig) unterschieden werden. Die Einstufung kann auf Qualitätsaspekten beruhen, wobei einige Grundkriterien zu berücksichtigen sind, z.B. Lage der Fliesen – horizontal (Bodenbelag) oder vertikal (Wandbelag) – Position (innen oder außen), Art der Räume (Wohn- oder Gewerbenutzung), Zweckbestimmung und Trittbelastung des Gebäudes oder Raums (private oder öffentliche Bereiche, Gewerbe oder Industrie) sowie weitere Merkmale und besondere Nutzungsbedingungen.

Während bei einem Bodenbelag vor allem die mechanischen Belastungen eine Rolle spielen – weshalb die Zusammensetzung und die Tragfähigkeit wichtig sind – ist bei einem keramischen Wandbelag vor allem auf die Festigkeit der Verbindung zwischen Fliese und Untergrund zu achten.

Werden Bodenbeläge und Fassadenverkleidungen in Außenbereichen eingesetzt, müssen besondere hygrothermische Belastungen berücksichtigt werden. Zusätzliche Informationen zum örtlichen Klima (Verwitterungsfaktoren, starke Sonneneinstrahlung, Frost, starke Temperaturschwankungen, längere Einwirkung von Wasser, hohe Feuchtigkeit usw.) können daher sehr nützlich sein.

Innenbereiche, bei denen mit starken hygrothermischen Belastungen zu rechnen ist, sind beispielsweise Kühlzellen, die häufig mit Fliesen verkleidet werden. Es sind aber auch Räume, die für Tätigkeiten genutzt werden, die mit der Entstehung von Dampf und längerer Einwirkung von Wasser verbunden sind (Schwimmbäder, Wellnesszentren, Badezimmer, Waschräume, Industrieobjekte usw.).

Öffentliche Bereiche mit starker Trittbelastung (Tagungsräume, Geschäfte, Kirchen usw.), verstärkt durch Einkaufswagen und andere Transportmittel (Supermärkte, Einkaufszentren, Verkehrsknotenpunkte, Bahnhöfe und Flughäfen), sind durch besonders hohe mechanische Belastungen gekennzeichnet, die vor allem die Oberfläche betreffen. Auch die chemische Belastung ist aufgrund der Häufigkeit des Kontaktes mit aggressiven Stoffen hoch, nicht zuletzt wegen der Notwendigkeit, diese Flächen schnell und wirksam zu reinigen, häufig mit mechanisch und chemisch besonders kraftvollen Mitteln.

In einigen Umgebungen wie Krankenhäuser, Schulen, Restaurantküchen oder Mensen usw. steht die Hygiene an vorderster Stelle: Die hier erforderliche akkurate Hygienisierung führt zu höherer chemischer Belastung.

Außerdem gibt es weitere Sicherheitsanforderungen, die typisch für Umgebungen mit hohem Personenaufkommen sind: Schutz vor Sturzgefahr (die Bodenbeläge müssen ausreichende Rutschsicherheit bieten), vor Brandgefahr und vor Gefahren im Zusammenhang mit statischer Elektrizität.

Industriebereiche sind im Allgemeinen durch sehr hohe Belastungen jeglicher Art gekennzeichnet, die je nach spezifischer Produktionstätigkeit variieren können.

Auch bei Privatwohnungen gibt es in puncto Belastungen je nach Zweckbestimmung des Raums große Unterschiede. Sie reichen von sehr geringer mechanischer Oberflächenbelastung, z.B. bei den Bodenbelägen in Schlaf- und Badezimmern, bis zu sehr hoher Belastung im Eingang, in Korridoren und auf Treppen, insbesondere in der Flächenmitte, die häufiger begangen und dadurch stärker belastet wird. Der Bodenbelag im Eingangsbereich kann eine geringe/mittlere bis sehr hohe Belastungsstufe haben, je nach Nutzungsbedingungen und Wohnungstyp (Etagenwohnung, Eigenheim mit direktem Zugang zum Garten, Ferienhaus usw.). Bei Bodenbelägen in der Küche liegen häufig mechanische Oberflächenbelastungen und chemische Belastungen vor: In der Küche bewegt man sich mehr und hält sich häufiger in bestimmten Bereichen auf (Herd – Spülbecken – Kühlschrank). Die in der Regel stärkere Verschmutzung macht häufigere und energischere Reinigung erforderlich. Auch für Wandbeläge sind die chemischen Belastungen in der Küche sehr hoch, da sie mit Lebensmitteln und Reinigungsmitteln in Berührung geraten.

Mai 2019